Es gibt immer noch Leute, die denken, das Problem mit der Verfassungswidrigkeit der Geldschöpfung sei eine Erfindung von Pfluger. Weit gefehlt.
Vor kurzem schrieb mir ein schweizweit bekannter Journalist, der mit kritischem Journalismus ein rechtes Vermögen verdient hat und eine interessante Website betreut:
«Es ist etwas schwierig, Deinen Text aufzunehmen. Der Aufhänger mit der Verfassungswidrigkeit finde ich auf etwas schmaler Basis. Private geben keine Münzen oder Banknoten heraus, sondern schaffen einen Haufen Papiergeld.» Und: «Ich nehme nicht an, dass Du der Ansicht bist, es liesse sich auf juristischem Weg etwas erreichen. Ansonsten müssten wir schon einen Juristen zitieren können.»
Zunächst: Die privaten Banken schaffen selbstverständlich kein Papiergeld, sondern schöpfen über den Kredit unbare Guthaben, die sich (angeblich jederzeit) in Papiergeld, neben Münzen das einzige, Privaten zugängliche gesetzliche Zahlungsmittel umwandeln lassen. Das ist vielleicht ein kleiner, aber entscheidender Unterschied.
Doch nun zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit, der angeblich auf schmaler Basis steht. Am 13. Mai 2011 fand in Winterthur eine Tagung des Vereins «Monetäre Modernisierung» mit dem Titel «Schweizer Vollgeldreform» statt. Drei gestandene Professoren standen vor einem übervollen Hörsaal und redeten Klartext. Hans Christoph Binswanger, einer der wenigen Nationalökonomen Europas, der die Geldschöpfung immer wieder thematisierte und auf die verhängnisvolle Wachstumsdynamik unseres Geldsystems aufmerksam machte, zeigte en détail und anhand der Kontobuchungen den «Trick der Geldschöpfung», d.h. wie die Banken bei jeder Kreditvergabe aus einer Schuld Geld machen. Daran gibt es nichts zu deuteln, das sind Fakten, die es schlicht und einfach zur Kenntnis zu nehmen gilt. Aus Nichts wird Geld.
Für traditionelle Nationalökonomen ist diese Form der Geldschöpfung deshalb kein grosses Problem, weil nach ihrer Ansicht mit diesem Geld echte Werte geschaffen würden. Der überwiegende Teil der Kredite fliesst heute aber nicht mehr in die Realwirtschaft, sondern in den Kauf von Wertpapieren, die höhere Gewinne versprechen. Mehr Geld verspricht höhere Werte, eine sich selber erfüllende Prophezeiung. Die globale Geldmenge ist denn auch in den letzten vierzig Jahren viermal schneller gestiegen als die Gütermenge.
Die Folgen sind erheblich, wie Joseph Huber, Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Halle und Autor zweier Bücher über die Vollgeldreform zeigte. («Vollgeld» bedeutet: Auch unbares Geld kann nur von der Nationalbank und nicht mehr von den privaten Banken geschöpft werden.) Während die Geldmenge in Deutschland 1992 bis 2008 um 189 Prozent zulegte, wuchs das reale Bruttoinlandprodukt gemäss Huber achtmal langsamer, um bloss 23 Prozent. Die überschiessende Giralgeldschöpfung führe «mit Sicherheit zu Inflation», wahrnehmbar vor allem bei den Geldanlagen und werde da sogar noch begrüsst: Die Preise von Immobilien und Wertpapieren steigen – man fühlt sich reicher. Aber: Das System ist nicht nachhaltig und wird durch perdiodisches Platzen von Spekulationsblasen gestört, die gigantische Werte umschichten und vernichten!
Dann war der Staatsrechtler Philippe Mastronardi an der Reihe. Der vor kurzem emeritierte von der Hochschule St. Gallen emeritierte Professor kennt die rechtliche Seite wie kaum ein anderer. In seinem Manuskript steht unmissverständlich: «Nach Art. 99 der Bundesverfassung steht … die Geldschöpfung ausschliesslich dem Bund, bzw. der Schweizerischen Nationalbank zu (Geldmonopol). Der verfassungsrechtliche Geldbegriff ist jedoch von der finanzmarkt- und zahlungsverkehrstechnischen Entwicklung überholt worden. Die Vollgeldreform zielt insoweit gar nicht auf etwas Revolutionäres, sondern schafft schlicht die Voraussetzungen, um der bestehenden Rechtsordnung Geltung zu verschaffen.» Oder etwas knapper: Der status quo widerspricht der Verfassung.
Die Vollgeldreform will auch die unbare Geldschöpfung auf die Nationalbank beschränken. Die Idee wurde in den 30er Jahren vom amerikanischen Nationalökonomen Irving Fisher unter dem Begriff «100-percent-money» lanciert und seither immer wieder diskutiert. Sie hatte bisher keine Chance, weil sie die Geschäftsgrundlage der Banken – aus Nichts Geld schöpfen und gegen Zins verleihen – in Frage stellt.
Der bisherige Gewinn der Banken aus der Geldschöpfung fällt in einem Vollgeldsystem dem Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern zu. «Das ist gewiss gerechter», sagte Mastronardi in Winterthur. «Aber es wird sich nur verwirklichen lassen, wenn es der Demokratie gelingt, sich gegen die Macht des Kapitals durchzusetzen.»
Das sind deutliche Worte von einem Mann, der den politischen Betrieb als langjähriger Sekretär der Geschäftsprüfungskommission der eidg. Räte bestens kennt. Und man kann sich nur wünschen, dass sie von möglichst vielen Menschen gehört werden. Dazu hätten die Medien aber über diese wichtige Tagung berichten müssen, was sie aber – Sie ahnen es – mit ein paar kümmerlichen Ausnahmen nicht taten. Und so weiss praktisch niemand in der Schweiz, dass es für die Probleme unseres Geldsystems auch eine praktikable Lösung gäbe.
Die Antwort für den veranstaltenden Verein «Monetäre Modernisierung», der einen überzeugenden Verfassungstext entwickelt hat, ist klar: Nur die Nationalbank soll in Zukunft rechtliches Zahlungsmittel in Umlauf bringen können, sei es als Münzen, Noten oder unbar als Giralgeld. Die Schöpfung von unbarem Giralgeld durch das private Bankensystem wird eingestellt. Nach den Vorschlägen von Joseph Huber bringt die Nationalbank je nach Wirtschaftswachstum eine entsprechende Menge neues Geld zins- und schuldfrei in Umlauf, typischerweise, indem sie es dem Staat zur Schuldentilgung oder Finanzierung seiner Aufgaben zur Verfügung stellt. So gelangt das neue Geld über die Realwirtschaft in den ökonomischen Kreislauf, dies im Gegensatz zum bisherigen Kreditgeld der privaten Banken, das primär in die Finanzwirtschaft fliesst und dort für die bekannte Blasenbildung und eine enorme Inflation bei den Vermögenswerten sorgt.
Die Nationalbank richtet sich bei der Bemessung der Geldmenge nach der Wertschöpfung der Volkswirtschaft und erreicht so Preisstabilität. Im bisherigem Regime richtet sich die Geldmenge nach der Verfügbarkeit von Kreditnehmern und wirkt prozyklisch: Mangelt es der Wirtschaft an Vertrauen in die Zukunft, sinkt das Kreditvolumen und damit die Geldmenge, und das Vertrauen sinkt weiter.
Die Girokonten der Bankkunden werden ausserhalb der Bankbilanzen geführt und sind deshalb gegen Zahlungsschwierigkeiten der Institute geschützt. Auf Girokonten werden auch keine Zinsen mehr gezahlt. Wer aus Geld einen Ertrag erwirtschaften will, muss es anlegen, indem er Wertpapiere kauft oder seiner Bank oder anderen Unternehmen ein Darlehen gewährt.
Weitere Informationen über diese vielversprechende Reform sind auf den Websites http://vollgeld.ch und www.monetative.ch zu finden.
Ich kann Ihnen eine Mitgliedschaft im Verein «Monetäre Modernisierung» sehr empfehlen. Er arbeitet zwar langsam, aber gründlich und meiner Ansicht nach könnte er deutlichere politische Signale aussenden – die Krise wartet schliesslich nicht. Aber er leistet seriöse Arbeit und ist die kompetenteste Vereinigung der Schweiz, die sich mit Geldreform befasst. Der Mitgliedschaftsbeitrag beträgt mindestens 50 Franken. Weitere Infos und Formular (pdf).
Der Begriff «Monetative» leitet sich ab von den drei Gewalten im Staat, der Legislative, der Exekutive und der Judikative und will zeigen, dass die Geldordnung einer vierten Gewalt im Staat gleichkommt und demokratischen Regeln unterworfen werden soll.
Der Verein «Monetäre Modernisierung» vertritt das Anliegen einer Vollgeldreform in der Schweiz. Er wird begleitet von einem wissenschaftlichen Beirat, in dem u.a.
„Der Begriff «Monetative» leitet sich ab von den drei Gewalten im Staat, der Legislative, der Exekutive und der Judikative“.
Ich bin auch der Meinung, dass es diese 4. Säule noch braucht. Aber nebst dem braucht es imo noch eine 5. Säule, nämlich ein Kontrollorgan, welches die Effektivität dieser vier Säulen überprüft und regelmässig transparent Bericht erstattet. Und bei Nicht-Verfassungskonformität oder Verfehlungen zuerst anmahnt, und bei Nichtkorrektur Klage bei den jeweils zuständigen Organen durchsetzt. Dies kann man einfach nicht einer normalen GPK überlassen.