«Nicht befriedigt» erklärten sich die Nationalräte Geri Müller (Grüne/AG) und Lukas Reimann (SVP/SG) mit der Antwort des Bundesrates auf ihre Interpellationen, in denen sie u.a. brisante Fragen nach der privaten Geldschöpfung und deren Schaden für die Realwirtschaft stellten. «Nicht befriedigt» ist eine mehr als anständige Reaktion auf ein bundesrätliches Papier, das im Grunde eine Frechheit ist. Auf die Frage von Geri Müller, wie sich die private, unbare Geldschöpfung durch die Banken mit dem in Artikel 99 BV formulierten Geldregal vereinbare, nach dem das Geld- und Währungswesen Sache des Bundes ist, antwortet der Bundesrat: «Die Entwicklung des Bargeldsurrogats ist im Sinne der verfassungsrechtlichen Konzeption dem Markt überlassen.» Wie bitte? Irgendwo in den Gewölben des Bundeshauses muss sich eine verfassungsrechtliche Konzeption der wichtigsten Substanz unserer Volkswirtschaft verstecken. Aber der Bundesrat verliert kein Sterbenswörtchen über ihre Herkunft und Natur. Vermutlich existiert sie gar nicht. Da halten wir uns lieber an das Gesetz, und das listet die gesetzlichen Zahlungsmittel abschliessend auf: Münzen, Bargeld und Sichtguthaben bei der Nationalbank – für Normalbürger nicht erhältlich und das einzige unbare gesetzliche Zahlungsmittel.
Für das Bargeldsurrogat bestehe keine Annahmepflicht, schreibt der Bundesrat in seiner lumpigen Antwort. Das ist nur auf dem Papier richtig. In der Realität ist das Gegenteil wahr, wie ich unlängst beim Versuch, meine Steuerrechnung bar zu bezahlen erfuhr. «Hier können Sie nicht bezahlen» beschied man mir am mit «Steuerinkasso» bezeichneten Schalter. Nach einigen Minuten freundlichen, aber unnachgiebigen Hinundhers wird die Vorgesetzte gerufen, die mir mit der Überzeugung einer unfehlbaren Beamtin erklärt, die Barzahlung von Steuern sei nicht möglich. Doch auch sie muss vor dem Argument des gesetzlichen Zahlungsmittels kapitulieren und holt den Abteilungsleiter. Der humorvolle Mann hat Verständnis für meinen Test, kassiert und quittiert den Betrag, den er noch gleichentags an einem Schalter in Buchgeld verwandeln wird, das über die Vorschriften über Mindestreserven, Eigenmittel und Liquidität nur noch zu rund zehn Prozent aus gesetzlichem Zahlungsmittel besteht.
Fast noch schlimmer erging es Lukas Reimann mit seinen Interpellationen. Ein Problem der kaum kontrollierten Geldschöpfung durch die Kreditvergabe durch die Banken ist das gestörte Gleichgewicht zwischen Geld- und Gütermenge. Konsequenterweise wollte er u.a. wissen, wofür die Bankkredite (das neu geschöpfte Geld!) verwendet wurden. Der Bundesrat versuchte, ihn mit einer Nicht-Antwort abzufertigen: «Gemäss Kreditstatistik gingen Ende 2011 5 Prozent der gesamten Kredite an finanzielle Unternehmen; 95 Prozent der gesamten Kredite wurden somit an Haushalte, nicht-finanzielle Unternehmen und öffentliche Unternehmen vergeben.» Die Klassifizierung der Empfänger der Kredite sagt rein gar nichts über deren Verwendung aus. Diese ist nicht nur für die Inflationsgefahr wichtig, sondern auch für die Realwirtschaft. Je mehr Kreditgeld in Finanzanlagen fliesst und dort leichte Gewinne ermöglicht, desto stärker leidet die Realwirtschaft, wo die echten Werte geschöpft werden. Mit seinen Antworten macht der Bundesrat klar, für wen er Partei ergreift (nicht für die Realwirtschaft), wie gross sein Interesse an einer Klärung der Geldschöpfungsfragen ist (unter Null) und wie er die Diskussion über die Grundfragen unseres Geldsystems zu führen gedenkt (mit Nebelschwaden aus Plastikwörtern und nicht-existenten «verfassungsrechtlichen Konzeptionen»). Falls die Finanzkrise auch in der privilegierten Schweiz voll zuschlägt, könnten sich Papiere, wie er sie Müller und Reimann geliefert hat, durchaus zu einem Rücktrittsgrund entwickeln. Zum Glück muss er Antworten auf Interpellationen nicht unterschreiben. Dann ist hinterher niemand verantwortlich.