Geld trennt, aber es geht auch anders

Geld habe ich bis jetzt immer als etwas grundsätzlich Verbindendes betrachtet – sieht man von seinen Perversionen ab, die durch die Finanzkrise ins Bewusstsein kamen. Während wir beim Realtausch nur mit einer sehr begrenzten Zahl von Partnern in Austausch kommen können, erschliesst uns das Geld eine fast unbeschränkte Zahl von Tauschpartnern. Aber die verbindende Funktion des Geldes ist ein Irrtum. Wie der amerikanische Philosoph und Mathematiker Charles Eisenstein in seinem Opus Magnum «Die Renaissance der Menschheit» schreibt, stellt Geld eine allgemeine Gleichwertigkeit her: «Gleichwertigkeit bedeutet, dass ich keine Beziehung mehr mit der anderen Person eingehen muss. Ich kann jede beliebige Person dafür bezahlen. Das führt zu einer grundlegenden Veränderung unserer sozialen Beziehungen. Ich kann alles von jedem anderen bekommen. Je mehr eine Gesellschaft alles in Geld bemisst, umso getrennter werden wir und umso mehr treten wir in Konkurrenz zueinander.»

Die Natur unseres sich selbst vermehrenden Kreditgeldes hat weitere schwerwiegende Konsequenzen: «Alles wird zunehmend in Geld umgewandelt, der Wald in Bretter, der Ozean in Fischfang und die Fähigkeit der Atmosphäre, Verschmutzung abzubauen in Verschmutzungszertifikate. Wir haben das Öl im Boden in Geld umgewandelt. Im Dienstleistungsbereich nimmt man eine unentgeltliche Beziehung und wandelt sie in eine Dienstleistung um. Heute werden zwei Drittel aller Mahlzeiten ausser Haus eingenommen und bei den zuhause gekochten werden vorfabrizierte Produkte verwendet. Rat, Unterhaltung und sogar Phantasie werden zu Produkten.

Charles Eisensteins Vision ist eine Ökonomie des Schenkens. Während der Kauf die Partner trennt, entsteht durch das Schenken eine Verbindung zwischen den Menschen. Davon sind wir gar nicht so weit entfernt. Die Natur und der Erfindungsgeist des Menschen produzieren im Überfluss, er ist nur höchst ungleich verteilt. Die materielle Basis für eine Kultur des Schenkens wäre also vorhanden. Nur die geistige Entwicklung ist noch nicht so weit.

Eisenstein hat das menschliche Wissen von seinen beiden Enden her studiert, über die Mathematik und die Philosophie. Sein Werk ist nicht nur von erstaunlicher Erkenntnis geprägt, sondern auch von starker Vision und echter Herzenswärme. Und es liest sich leicht. Eine unedingte Leseempfehlung.

 

Charles Eisenstein: Die Renaissance der Menschheit – über die grosse Krise unserer Zivilisation und die Geburt eines neuen Zeitalters. Scorpio, 2012. 784 S., Fr. 36.90/22,95 Euro.
Im Internet lesen: www.kanope.de

 

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