Die vergangene Woche hat uns in aller Deutlichkeit gezeigt, wohin uns das Jahr seit Beginn des Lockdowns gebracht hat.
Am Freitag ging die Frühjahrssession zu Ende, in welcher der Auftraggeber des Bundesrats, das Parlament, gegen diesen eine spektakuläre Niederlage erlitten hat. Eine Woche früher als ursprünglich geplant, sollten sich die Menschen wieder draussen vor den Restaurants treffen und etwas trinken dürfen. Das war der bürgerliche Konsens, eine Bonsai-Lockerung des guten Willens, um dem Pandemie-geplagten Land wieder ein bisschen Hoffnung zu geben.
Der Bundesrat setzte sich nicht nur durch, sondern noch eins drauf: Am allerletzten Tag, als die meisten Räte ihre Aktentaschen schon gepackt hatten, setzte der Bundesrat auch die ursprünglich auf Ostern angekündigten «Lockerungen» aus.
Der Akt ist eine Demütigung des Parlaments. Seht her: Wir tun, was wir wollen! Natürlich war es auch feige. Warum hat der Bundesrat die Beschlüsse nicht etwas früher bekannt gegeben? Damit nicht in der Wandelhalle über die fadenscheinigen Gründe der Nicht-Lockerung diskutiert werden konnte!
Drei der vier Werte, an denen der Bundesrat seine Öffnungspolitik orientiert, sind manipulierbar:
- die 14-Tages-Inzidenz (200 pro 100’000 Einwohner),
- die Positivitätsrate (5 Prozent) und
- die Reproduktionszahl (1).
Und so werden sie manipuliert: Mit den Massentests werden die paar Wenigen herausgefiltert, die wahrscheinlich einen positiven PCR-Test abliefern. Damit schlägt man drei Fliegen mit einer Klappe: man bringt die Positivitätsrate in die Höhe, die Inzidenz und indirekt die Reproduktionszahl, eine komplizierte «Schätzung» (sagt sogar die Task Force) auf Basis der vorgenannten Werte.
Ein bisschen mehr Massentests und schon kann die Lockerung verschoben werden. Der vierte Wert – der einzige mit ein bisschen Zuverlässigkeit – die Auslastung der Intensivbetten, liegt unter dem festgelegten Richtwert. Die Todesfälle, der entscheidende Wert, liegen unter zehn Prozent des Wertes vor dem zweiten Lockdown. Wo ist sie denn, die Pandemie?
Was erschüttert, ist die Lethargie der Wirtschaft, die das tatenlos hinnimmt – Verlautbarungen darf man nicht als Taten zählen. Schlimmer noch: Sie schwenkt zunehmend auf eine appeasement-Politik ein und fordert den Impfpass.
Die kritische Bewegung feiert derweil auf dem Nebenschauplatz Liestal den grössten Aufmarsch seit Beginn der Pandemie. Der «stille Protest», ein Umzug in weisser Schutzbekleidung, hat sich innerhalb weniger Monate zur attraktivsten Form des Widerstands entwickelt. Der Erfolg ist aber an seine Grenzen gestossen. Er verkennt die fast absolute Macht des Bundesrates. Und Bewilligungen werden nicht mehr ohne Weiteres zu bekommen sein.
Dazu beigetragen hat einmal mehr das Staatsmedium SRF. Es hat in seinen Sendungen und Nachrichten mehrmals darauf hingewiesen, dass sich die Teilnehmer der Grosskundgebung nicht an die Maskenpflicht gehalten hätten, z.B. hier: «Warum liess die Polizei die Massnahmen-Verweigerer gewähren?». Darauf gibt es für Journalisten nur eine Antwort: die Polizei fragen.
Zum Schluss liess SRF die Sicherheitsdirektorin das Kantons Baselland, Kathrin Schweizer (SP) verkünden, die Veranstalter würden im Kanton keine Bewilligung mehr erhalten. Das wird man auch in anderen Kantonen hören.
Pikant: Was die SRF-Leute den Protestierenden vorwarfen – die Missachtung der Maskenpflicht – hielten sie selber nicht ein, wie dieses Bild zeigt:
SRF betreibt eine relativ aktive und nur Insidern erkennbare Eskalation. Ein Rundschau-Beitrag mit dem Titel «Ärzte im Visier: Behörden gegen Corona-Skeptiker» schloss mit dem Aufruf «Der Staat muss entscheiden, wieviel Freiheit er den corona-skeptischen Ärzten zugestehen soll. Eine heikle Aufgabe, aufschieben sollte man sie nicht.»
Aufgeschoben wurde die Aufgabe wahrlich nicht. Am selben Tag, noch vor der Ausstrahlung, entzog der Luzerner Kantonsarzt, der über den Inhalt der Sendung orientiert war, dem im Beitrag kritisierten Dr. med. Heisler die Berufsbewilligung.
Später, in der Berichterstattung über das Berufsverbot wurde Heisler den «Lügenärzten» zugeordnet. Dies, nachdem SRF ihn bewusst falsch zitierte – «zweifelt an der Existenz des Virus». Dann wurde die justiziable Ehrverletzung offenbar erkannt und der Beitrag umformuliert. Die Version in Gebärdensprache entging verräterischerweise der Korrektur.
Wie es scheint, darf man beim öffentlich finanzierten Staatsmedium
ungestraft Konzession, journalistische Prinzipien und Anstandsregeln
verletzen, und zwar gleichzeitig. Der Rechtsstaat ist zwar im Zerfall begriffen, aber er gibt sich alle Mühe up to date zu bleiben:
Was denken Sie, wie oft wurde die Covid-19-Verordnung, das wichtigste Stück Gesetzgebung des Landes seit Jahresbeginn geändert? Dreimal, fünfmal oder zehnmal? Die Covid-19-Verordnung wurde seit dem 1. Januar 2021 elf Mal geändert, d.h. einmal pro Woche.
Bald muss man vor Verlassen des Hauses in der amtlichen Sammlung den aktuellen Stand Gesetzgebung abrufen, um sicher und straffrei durch den Tag zu kommen. Dies erinnert an die Foltermethode, mit ständig neuen, absurden Regeln Kriegsgefangene zu zermürben. Das Ziel dürfte bald erreicht sein. Viele Menschen sind froh, wenn sie bald die Gentherapie bekommen.
Wie Sie spüren, ziehe ich kein besonders positives Fazit aus einem Jahr Pandemiemanagement. Die Evidenz staatlichen Handelns, die gemäss Verfassung regelmässig überprüft werden sollte, spielt faktisch keine Rolle mehr. Widerstand im Parlament, auf der Strasse und in den alternativen Medien ist wirkungslos.
Was erwartet uns, wenn alle demokratischen Mittel versagen? Ob die Eskalation mit Absicht oder einfach aus Jagdlust betrieben wird, ist unerheblich. Die Wirkung bleibt dieselbe: Je mehr man den demokratischen Protest in die extreme Ecke drängt und die berechtigten Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Massnahmen unterdrückt, desto mehr radikalisiert sich der Widerstand, bis einzelne Exponenten über die Schnur hauen und Polizeigewalt tatsächlich legitimieren.
Der Widerstand braucht jetzt weise Führungskräfte, die sich absolut der Gewaltfreiheit verpflichten. Es kann nicht sein, dass einzelne Leute auch nur denken, «die Zeit für Gewalt sei noch nicht gekommen», wie letzthin in einem Telegram-Kanal zu lesen war. Die Zeit für Gewalt kommt nie!
Gewalt führt immer in die Niederlage: Entweder sie gewinnt oder sie verliert. Beides ist eine Niederlage.
Ich bin überzeugt: Wenn wir die Aussichtslosigkeit der Lage anerkennen, öffnen sich neue Wege. Sie zu finden, dies ist unsere Aufgabe.