Der Missbrauch ist die neue Norm

Natürlich hat Berset Insiderwissen aus dem Bundesrat an die Medien verraten, auch wenn man es nicht beweisen will

Es ist ein Bericht mit der Wirkung eines Persilscheins: Die Kommission der Eidg. Räte zu den Corona-Leaks im Umfeld von Bundesrat Berset kann ihm nichts nachweisen. Die Geschäftsprüfungskommission hat vielleicht nicht ganz alle Augen zugedrückt, aber sie hat alle Möglichkeiten genutzt, damit Berset sein Amt nicht mit einem Totalschaden beenden muss: mit einem Strafverfahren.

Die Indizien sind überwältigend: «Von 50 analysierten Sitzungen des Bundesrates waren 38 kontaminiert», sagte SVP-Nationalrat Thomas de Courten (SVP/BL) bei der Präsentation des Berichts am Freitag in Bern.

Mehr oder weniger dasselbe als Mundart-Video

Eine naheliegende Frage, die sich die dreiviertelblinde Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommission offenbar nicht gestellt hat: Wie kommen Informationen aus dem Bundesrat zum Mediensprecher von Bundesrat Berset, wenn nicht über ihn? Vielleicht über die Putzkraft, die aus den bundesrätlichen Papierkörben vertrauliche Dokumente fischt und weiss, wem sie weiterzugeben sind? Indiskretionen aus fast 80 Prozent der Bundesratssitzungen sind eine separate Untersuchung wert – falls tatsächlich noch Zweifel an der Täterschaft bestehen.

Es bestanden persönliche Kontakte zwischen Bundesrat Berset und Marc Walder, CEO von Ringier und Empfänger vertraulicher Dokumente. Und die soll er ohne Wissen des Bundesrat von einem Dritten erhalten haben! Soll’s glauben, wer will.

500 Medienartikel hat die GPK untersucht; 200 basierten auf Indiskretionen. Bei so viel Rauch muss es irgendwo lichterloh gebrannt haben. Aber jetzt, bald ein Jahr nach dem offiziellen Ende der Pandemie, sind keine Flammen mehr sichtbar, also muss auch nicht gelöscht werden.

Aber es gibt nicht nur Indizien, es gibt auch Tatbestände. Berset wusste von den Indiskretionen, das hat die GPK festgestellt. Als Bundesrat wäre es seine Pflicht gewesen, in seinem Verantwortungsbereich für die Aufklärung von Straftaten zu sorgen, von denen er Kenntnis hat. Und die Verletzung des Amtsgeheimnisses ist gemäss Art. 320 StGB eine Straftat, die mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe betraft wird.

Berset hat die Straftat nicht aufgeklärt, weil er an ihr beteiligt war. Ob er sie geduldet, gefördert oder begangen hat, würde eine Strafuntersuchung ergeben, wenn denn eine solche stattfinden würde.

Dafür wäre es übrigens nicht zu spät. «Die Verletzung des Amtsgeheimnisses ist auch nach Beendigung des amtlichen oder dienstlichen Verhältnisses oder der Hilfstätigkeit strafbar», heisst es im Strafgesetzbuch.

Zuständig für Untersuchung und Anklage wäre die Bundesanwaltschaft, die aber pikanterweise vom Bundesrat dazu ermächtigt werden müsst, ein eigentümlilches Verständnis von Gewaltentrennung.

Es gibt noch einen anderen Tatbestand, der aber in einem politischen Verfahren, wie es die Untersuchung der GPK war, nicht justiziabel ist: die Beseitigung von Beweismitteln. Der Kommunikationschef von Bundesrat Berset wurde von der GPK zur Herausgabe seines Mailverkehrs aufgefordert. Er verweigerte dies und löschte darauf die fraglichen eMails.

Die GPK war sich offensichtlich bewusst, dass sie mit ihrem zimperlichen Bericht eine mangelhafte Arbeit abgeliefert hat. Wer am Freitag um 17.00 Uhr, dem spätestmöglichen Termin der Woche, vor die Medien tritt, will möglichst wenig Medienecho. In die Samstagsausgaben schafft es nur noch Berichterstattung, vielleicht angereichert mit ein paar Adjektiven, die nicht oft verwendet werden. Man muss nur die Sonnntagszeitungen über sich ergehen lassen, dann ist schon wieder Montag mit dem nächsten Aufreger.

Nicht nur den Stil verletzt die GPK, sondern auch das Recht. Sie wurde von den Eidg. Räten bestellt und handelt in ihren Auftrag, richtet ihre Empfehlungen aber an den Bundesrat. Der wird mit Sicherheit den Sack zumachen – er, der offiziell in Bezug auf Indiskretionen das Prinzip Nulltoleranz verfolgt, aber auch nach den Corona-Leaks bei undichten Stellen nichts tat, selbst wenn diese ruchbar wurden.

Dies alles zeigt eine bereits sehr weit gediehene Degeneration des Rechtsempfindens von massgebenden Personen. Nichts Relevantes würde gegen ihn vorliegen, sagte der Innenminister offenbar schon vor Monaten seinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat.

Man kann das auch so lesen: Amtsgeheimnisverletzungen sind für Berset nicht relevant; sie gehören gewissermassen zum Geschäft. Das ist bereits so akzeptiert, dass die GPK jetzt auch ein bisschen Berset spielen darf: die Amtsgeheimnisverletzung zu ahnden, ist für sie nicht relevant.

Relevant ist diese unselige Geschichte aber für ein paar weitere Prozente der Bürgerschaft, die sich sagen müssen: Der Einfluss des Rechts auf die Politik ist irrelevant. Ist ja auch logisch. Die Politik bestimmt, was gelten soll im Land: Wenn das Recht gebeugt oder gebrochen wird, ist es eben doch rechtens.

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2 Antworten auf Der Missbrauch ist die neue Norm

  1. beat schaller sagt:

    Der Sack mit Berset ist wie zu erwarten war bereits zu. Das ganze Spiel war von Anfang an nur lächerlich. Man müsste eigentlich hier eine Amtszeitbegrenzung einführen und nur noch die Hälfte des Salärs bezahlen, bei den im Gewerbe üblkichen Nebenleistungen, Pensionen etc. Nach Abtritt keine Sonderbehandlung und auch keine Sonderpöstchen und bei den Renten keine Privilegien. Bersdet müsste persönlich für die Schäden an den Gespritzten aufkommen, weil er in vollem Wissen gehandelt hat. b.schaller

  2. Küng René sagt:

    Danke für die klaren Worte.
    Ich würde es gerne im Blick oder einer anderen Schweizer Qwalitätszeitung lesen.
    Aber wer will dem vornehmen Herr denn was sagen, wenn alle Instanzen schon darauf vorbereiten, dass Mössieur schon bald für höhere Ämter lächeln und nicht nur das eigene Volk belügen und betrügen wird.

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